Aus der engeren Bindung an eine Kirchengemeinde wollte Peter Schwarz heraustreten, als er 1965 als junger Kantor der Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche im Berliner Tiergarten die Berliner Cappella gründete. Der Name fiel ihm auf der griechischen Insel Hydra ein. Ob er an die neunköpfige Wasserschlange gedacht hat, der zwei Köpfe nachwuchsen, wenn sie einen verlor? „Es war sicher nicht die Dienstanweisung des evangelisch en Konsistoriums, die mich drängte, einen Chor zu gründen”, erinnerte er sich. „Es war die brennende Neugierde, mit einer Gruppe von beweglichen und fleißigen Menschen den besonderen Klang zu suchen, den die mehrstimmige Musik in die Welt trägt. So kam es zu einer leidenschaftlichen Wanderung durch die Musik von Jahrhunderten. Das gemeinsame Musizieren war das Gefäß für Mitmenschlichkeit, zuneigende Freundschaft und Liebe.”
Geistliche Musik blieb zunächst der Schwerpunkt des Programms, das sich nun auch den Experimenten der Moderne zuwandte. Neben die großen Chorwerke von Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel, Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart, Felix Mendelssohn Bartholdy, Johannes Brahms oder Anton Bruckner traten schon bald Kompositionen von Karlheinz Stockhausen, Petr Eben, György Ligeti, Dieter Schnebel, Olivier Messiaen, Arnold Schönberg, Paul Hindemith, Benjamin Britten, Grete von Zieritz und vielen anderen. Nicht nur in Kirchen und den großen Konzertsälen Berlins, sondern auch im Ausland ließ der Chor von sich hören. In Italien, in der Türkei, in den USA, vor allem aber in den Ländern des Ostblocks war die Berliner Cappella unterwegs. Gerade in der schweren Zeit des Kalten Krieges wurde die Begegnung mit den Menschen auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs zum „kreativen Erlebnis”, wie Peter Schwarz notierte.
Eine besondere Freundschaft verbindet die Berliner Cappella mit dem Orchester der Filharmonia Pomorska in Bydgoszcz in Polen. 2017 konnte diese langjährige Zusammenarbeit auf 40 Jahre zurückblicken. Auf Grund der langjährigen Beziehungen zu dem Orchester war es nur folgerichtig, dass Peter Schwarz sein letztes Konzert als Leiter der Berliner Cappella mit einer Aufführung von Benjamin Brittens War Requiem zusammen mit der Filharmonia Pomorska 2001 sowohl in Bydgoszcz als auch in Berlin dirigierte. Aber auch seine Nachfolger hielten an dieser Freundschaft fest, die zuletzt durch ein Konzert im Februar 2020 gefestigt wurde. Wir freuen und daher besonders auf die erneute Kooperation im Frühjahr 2024 mit Michael Tippets „A child of our time“.
Nachdem zunächst Gunter Berger, derzeit u.a. Direktor der Philharmonischen Chöre Dresden, den Chor geleitet hatte, entwickelte ab 2002 Kerstin Behnke das Profil des Chores weiter. Sie stärkte den Stellenwert weltlicher Werke im Programm, stellte sowohl Saison- als auch Konzertprogramme unter ein verbindendes Motto und regte den Kompositionspreis der Berliner Cappella sowie die Vergabe von Kompositionsaufträgen an. Nach ihrem Abschied 2017 setzte Maike Bühle den eingeschlagenen Kurs fort, bevor im Dezember 2019 Sergi Gili Solé die musikalische Leitung übernahm und heute das Programm mehr und mehr mit politischen Themen besetzt.
Entdeckerfreude und den Mut zum Abenteuer attestierte Kultursenator Volker Hassemer dem Chor schon zum 20-jährigen Bestehen. Zum 50. Jubiläum 2015 schrieb die Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters: „Für mich ist die Berliner Cappella ein schönes Beispiel dafür, dass aus ehrenamtlichem Engagement in Verbindung mit hohem künstlerischen Anspruch Großes entstehen kann.“