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Es ist Juli 2023. Die Berliner Cappella hat gerade mit den Proben für die Aufführung des „Canto General“, einem Werk des Komponisten Mikis Theodorakis basierend auf dem gleichnamigen Gedichtzyklus von Pablo Neruda begonnen. Die Aufführung soll im November 2023 im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie stattfinden. Da erreicht eine Information über die Person Pablo Nerudas den Chor, die den meisten Mitgliedern zuvor nicht bekannt war. In seiner Autobiographie beschreibt Neruda selbst eine Szene, in der er sexuelle Gewalt an einer Frau ausübte.
Diese Information löste eine Debatte im Chor aus. Über den Sommer meldeten sich viele Chormitglieder per Mail zu Wort. Zu Beginn der Probenphase nach den Sommerferien fand schließlich ein Chorgespräch dazu statt.
Im Zentrum stand die Frage, wie die Berliner Cappella mit dieser Information umgehen sollte und konkret, welche Konsequenzen sich hieraus für das geplante Konzert ergeben.
Die Positionen zu diesen Fragen im Chor sind sehr unterschiedlich und die Spannweite reicht von dem Wunsch, das Konzert abzusagen bis hin zu der Auffassung, dass eine nicht sicher bewiesene und weit in der Vergangenheit liegende Tat keine Relevanz für die Aufführung des Werks haben könne.
Um die Auseinandersetzung im Chor für unser Publikum zu visualisieren, wollen wir die unterschiedlichen Stimmen im Chor zu dieser Thematik eingefangen. Gleichzeitig möchten wir damit auch einen Beitrag zu der zunehmend aktuellen Debatte rund um (mutmaßliches) Fehlverhalten von Künstlerinnen und Künstlern und dessen Bedeutung für ihre Werke leisten.
Für unsere Präsentation in Form einer Wortcollage bitten wir um Eure Beiträge, die entweder in einem kurzen Statement oder einer Fragestellung bestehen können.