Höhepunkte

 
Spätabends zu Mozarts Todesstunde dessen Requiem aufzuführen, wie 1992 mit dem langjährigen Orchesterpartner Filharmia Pomorska in Bydgoszcz in Polen geschehen, gehört gewiss zu den bewegendsten Momenten eines Chorsängerlebens. Auf andere Weise interessant ist es, das Werk zeitgenössisch a cappella um das Lux aeterna von György Ligeti und Immortal Bach von Knut Nystedt zu ergänzen.

Mehrfach hat die Berliner Cappella auch Requien von Britten, Brahms, Fauré und Verdi gestaltet und teils mit anderen Gedenkwerken, etwa mit Schönbergs Ein Überlebender aus Warschau, verbunden. Im Herbst 2010 stellten wir dem Deutschen Requiem von Johannes Brahms die Kantate Die Erde ist des Herrn des 1944 in Auschwitz ermordeten, heute fast vergessenen Komponisten Hans Krása voran. Zu Beginn des Konzerts in der Berliner Philharmonie berichtete eine Zeitzeugin über ihre Begegnung mit Krása im KZ Theresienstadt. Im April 2011 gastierte die Cappella aufs Neue in Bydgoszcz, um sich – eingeleitet durch das Katyń Epitaph des polnischen Komponisten Andrzej Panufnik – am Vorabend der Gedenkfeierlichkeiten für die Opfer der Flugzeugkatastrophe von Smolensk gemeinsam mit der Filharmonia Pomorska durch eine Aufführung des „Flieder-Requiems“ von Paul Hindemith am doppelten Gedenken der Opfer von Katyń zu beteiligen.

Zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit hatte unsere Dirigentin Kerstin Behnke gemeinsam mit dem Komponisten Knut Remond und Berliner Schülerinnen und Schülern in anderthalbjähriger Arbeit das Oratorium Erhebe Deine Stimme vorbereitet. Bei der Aufführung am 3. Oktober 2010 dirigierten die Jugendlichen selbst die Partien, die sie entworfen hatten. Dieses Projekt wurde im bundesweiten „Junge Ohren“-Wettbewerb mit einem 1. Preis in der Kategorie „LabOhr“ ausgezeichnet. Aber auch sonst stehen immer wieder Uraufführungen auf dem Programm, seien es Auftragskompositionen wie der Essay von Oliver Korte und Antigonaivon Carlos Stella oder die Stücke, die mit dem Kompositionspreis der Berliner Cappella ausgezeichnet worden sind, wie z.B. die Klagegesänge des Jeremias von Martin Wistinghausen oder das Schlaflied von Julia Deppert.

Ebenso aufregend ist es für uns, unbekannte Werke von bekannten Komponisten auszugraben. Wer in Deutschland kennt schon Erlkönigs Tochter von Niels Wilhelm Gade und Die Geisterbraut von Antonín Dvořák? Oder schon mal die Trauermusik von Bachs Vetter zweiten Grades Johann Ludwig gehört? Auch dass Frauen komponieren können, stellen wir unter Beweis, z.B. durch die erste Wiederaufführung von Ethel Smyth’s Oper Der Wald seit ihrer Premiere 1902 oder ihrer Kantate The Prison. Ebenfalls wild romantisch geht es in Snöfrid von Elfrida Andrée und Les Argonautes der Französin Augusta Holmès zu. Verschiedene Werke von Lili Boulanger haben wir mit dem Requiem ihres Lehrers Gabriel Fauré kombiniert, mit dem sie – wie auch die Presse befand – einen Vergleich nicht zu scheuen braucht. Mendelssohns Schwester Fanny Hensel und Clara Schumann sind inzwischen bekannter geworden, nicht so Marianna Martines, Komponistin einer Quarta Messa, mit der Mozart vierhändig Klavier gespielt hat.

Die Berliner Cappella pflegt neben Wiederentdeckungen und Experimenten eben auch das musikalische Erbe und die bekannteren zeitgenössischen Tonbilder, angefangen von Bachs Johannespassion, Messe in h-moll und Magnificat über Händels Messiah und Israel in Egypt, Beethovens IX. Sinfonie – in einer gemeinschaftlichen Aufführung mit dem Kokugikan Sumida Chor aus Tokio – , Mendelssohns Lobgesang und Saint-Saëns’ Oratorio de Noël bis hin zu Brechts und Weills Ozeanflug, Strawinskys Psalmensinfonie oder Ariel Ramirez’ Misa Criolla undNavidad Nuestra.

Besondere Höhepunkte sind natürlich auch die Reisen, z.B. im Herbst 2006 nach Sibirien, wo wir in Nowosibirsk und Tomsk Psalmenvertonungen von Gabrieli, Schütz, Strawinsky und Milhaud aufgeführt haben, oder im Herbst 2009 in die USA, wo wir an der Loyola-Universität zu Chicago und in verschiedenen Konzerthäusern und Kirchen in Wisconsin vor allem romantische Chormusik aus Deutschland und anderen europäischen Ländern vortrugen. Im Frühjahr 2012 fand der Chor ein begeistertes Echo auf seine Panama-Reise, auf der neben einem A-cappella-Programm in Zusammenarbeit mit zwei panamaischen Chören auch die Erstaufführung des Brahms-Requiems in Panama auf dem Programm stand.

In einer Matinée- und einer Soirée-Fassung bot der Chor das a-cappella-Programm zum Zyklus „Tageszeiten“ auch in Berlin an. Es prägte auch das Konzert, das der Chor im Mai 2012 zusammen mit dem Bariton Burkhard von Puttkamer und der Pianistin Zsuzsa Balint in einem ebenso ungewöhnlichen wie faszinierenden Ambiente gab: der Schiffschleuse Hohenwarthe bei Magdeburg. Titel „Verstohlen geht der Mond auf…“.

Ausverkauft waren die nahezu 1600 Plätze im Hangar 2 des Flughafens Tempelhof, in dem die Berliner Cappella zusammen mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg im April 2013 eine konzertante Fassung der Oper Echnaton von Philip Glass aufführte, wie schon dreieinhalb Jahre zuvor aus Anlass der Wiedereröffnung des Neuen Museums in Parochialkirche begleitet durch eine Lichtinstallation der Hamburger Künstlerin Katrin Bethge.